Für dieses Wochenende hatten Olivia und ich vor, neue Gefilde zu erkunden. Olivia hatte sich den Freitag freigenommen und so beschlossen wir, mit dem Zug nach Bellinzona und von dort aus mit dem Postauto nach Cama im bündnerischen Misox zu fahren. Gesagt, getan, um 09.30 Uhr stiegen wir mit unseren schwer bepackten Rucksäcken aus dem Posti aus, verstauten frohen Mutes die Schutzmaske und liefen los in Richtung Parkplatz, von wo aus die Wanderung ins Val Cama beginnt. Cama, ein kleines, hübsches Dörfchen liegt nur etwas mehr als 300 Meter über dem Meeresspiegel und gehört trotz der italienischen Sprache und der Nähe zu Bellinzona zu Graubünden. Unser erstes Ziel, der Lagh de Cama, befindet sich auf über 1200 Meter über Meer. Nun, die Wanderwegbauer des Val Cama kannten nur eine Richtung und die hiess nach oben. Schon nach wenigen Minuten liefen wir wie in Trance den Berg hoch: Ein Schweisstropfen fällt zu Boden, rechter Schritt, Tropf, linker Schritt, Tropf rechter Schritt...Immer wieder tat sich im dichten Kastanienwald eine Lichtung auf, von der man nach Cama herunterblicken konnte und die Aussicht geniessen konnte. Leider war der Bach, der das Tal durchfliessen sollte, auf den meisten Abschnitten komplett ausgetrocknet. Wahrscheinlich fliesst er irgendwo in eine Röhre. An einer Stelle, wo noch Wasser vorhanden war, konnte ich dann sogleich 2 schöne Bachforellen erspähen, die aber nach meinem ersten Wurf den Braten gerochen hatten.
Nach zweieinhalb Stunden und etlichen Brämen-Stichen war es geschafft: Der glasklare See und die Alp, wo v.a. Ziegenkäse produziert wird, lag vor uns. Just, als wir oben ankamen, begann es zu regnen, so dass wir uns erst einmal in der spartanischen Alp verköstigen liessen: Frisch zubereitete Teigwaren mit einer feinen Sauce und drei sympathischen Älperinnen (also, nicht im Essen..) als Gastgeber. Von diesen erfuhren wir, dass im See vor drei Jahren aufgrund extremer Hitze ein Fischsterben stattgefunden hat und die Fische nun noch sehr klein waren.
Um 15 Uhr liess dann der Niederschlag nach und ich wagte meine erste Entdeckungstour mit der Fischerrute, während Olivia ein gepflegtes Pfüüsi an den Tag legte. Schliesslich fand ich eine vielversprechende Stelle, wo ich auch Biss auf Biss hatte. Viele Regenbogenforellen um die 35 cm verbissen sich in meine Köder - von Bachforelle oder Saibling war aber leider keine Spur. Der See war auch bereits jetzt sehr warm, was mich einigermassen beunruhigte für den weiteren Verlauf des Sommers. Da an diesem See keine Weissflössler auszumachen waren, beschlossen wir, die 2.5 Stunden und 900 zusätzlichen Höhenmeter zum Lagh de Sambrog hochzuwandern, um den Abend dort zu verbringen. Während der Sambrog-See gefühlt einen Kilometer Luftlinie vom Lagh de Cama entfernt ist, kann man sich die Steilheit des Wanderwegs in etwa vorstellen. Man würde gar nicht auf die Idee kommen, dass die senkrechte Wand hinauf ein Wanderweg führt, es war aber genau so...
Im Vornhinein hatten wir uns nach Schlafmöglichkeiten erkundigt und herausgefunden, dass auf dem Weg zum Sambrog zwei Schutzhütten stehen, in denen man nächtigen kann. Nach einer Stunde standen wir vor Nummer 1, liefen aber gleich weiter zu Nummer 2, die wir nach einer weiteren knappen Stunde erreichten. Dort deponierten wir unser Gepäck und nahmen nur das Fischerzeugs mit, um die restlichen 200 Höhenmeter bis zum See zu bewältigen. Nach erneut einer gefühlten Ewigkeit lag er endlich vor uns: der so was von glasklare Lagh de Sambrog! Nach hier oben verlaufen sich definitiv nicht viele Menschen - in den zwei Tagen sahen wir auf dem Wanderweg zwischen Lagh de Cama und hier oben 3 Wanderer - und einer davon flog mit dem Helikopter zum See.
Nun gut, endlich hiess es, Elritze montieren und losfischen. Der See sieht optisch wie eine Namaycushhochburg aus: Überall riesige Felsbrocken im Wasser, die den Salmoniden perfekte Versteckmöglichkeiten bieten. Doch erst nach einer halben Seeumrundung gab es den ersten Aufreger: Vor meinen Füssen schwamm ein bestimmt 50 cm grosser Namay seine Runde! Leider verschreckte diesen meinen vor die Nase geworfener Köderfisch so sehr, dass er auf Nimmerwiedersehen verschwand. Doch bereits ein paar Würfe danach war meine Rute krumm und kurze Zeit später lag ein 45cm+ Namay im Kescher! Ein makelloses Tier, das bestimmt schon ein paar Jahre im See herumschwimmt. Anschliessend genossen Olivia und ich den Sonnenuntergang und machten uns auf den Abstieg zu unserer Hütte.
Wenige Minuten, nachdem wir diese erreicht hatten, kam noch ein anderer Wanderer an - der Erbauer dieser tollen Schutzhütte, wie sich herausstellen sollte. Dank diesem kamen wir beide sogar noch in den Genuss einer warmen Dusche auf 2'000 Meter über Meer und mit der wohl besten Aussicht, die wir je beim Duschen hatten! Danach gingen wir in die Heja, denn morgen hiess es (zumindest für mich) wieder früh aufstehen.
So klingelte mein Wecker vor 5 Uhr und noch im Dunkeln stieg ich wieder zum See hoch. Olivia wollte dann gegen 8 Uhr folgen. Schliesslich hatte ich am Morgen noch einige Bisse von Fischen, konnte einen weiteren prächtigen ca. 40er- Namay fangen und einige kleine bei der Jagd nach Mücken beobachten. Nach Olivias Ankunft und einem gemeinsamen Zmorge am See erkundete sie noch die weitere Umgebung, während ich weiterhin den Namays nachstellte. Es lief aber nichts mehr und so beschlossen wir, nach dem Mittag den Rückweg anzutreten. Um 15 Uhr erreichten wir den Lagh de Cama, wo wir ein Päuschen in der Hängematte genossen und uns ein Bad im schönen See gönnten - Wellnesspaket mit kleinen Fischchen, die einem an den Füssen herumknabbern, inklusive.
Wir konnten dabei auch noch eine Wasserschlange beobachten, die seelenruhig mitten durch den See schlängelte.
Nach zwei Stunden hiess es wieder Wanderschuhe an und Rückweg in Richtung Cama antreten. Endlich hatten wir auch diesen Teil geschafft und sprangen ersteinmal in die sagen wir kühle Moesa. Einfach herrlich! In frischen Kleidern gönnten wir uns dann ein Znacht in einem Grotto und erreichten anschliessend auf die Sekunde den Bus, der uns weiter nach Lostallo fuhr. Dort wartete bereits mein Beachbuddy mit Anhang auf uns. Wir stellten unser Zelt bei der Beachvolleyball-Anlage auf, gönnten uns ein kühles Summersby in der gemütlichen Runde und hofften, dass unsere Beine am nächsten Tag zumindest wieder einigermassen fit sein würden. Dies sollte aber Wunschdenken bleiben...
Alles in allem war es ein super Ausflug in eine wildromantische, wenig besuchte Gegend. Ein Vorgeschmack auf das, was uns nächster Jahr bei unseren "Zwei-Monaten-Büsli-Zelt-Fischer-Bergsee"-Ferien im Bünderland alles erwarten wird! Die Vorfreude ist schon mal riesig.
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